Jeder hat seinen Spleen. Meiner ist aus altem Leder und mittlerweile mein Markenzeichen geworden. Das sind zwei Sätze aus dem Buch „Wer spinnt, gewinnt“, Seite 26, Kapitel: „Eine Lederhose macht Karriere“.
Bei Sonnentor in Sprögnitz. Johannes Gutmann sitzt in der Kaffee- und Teeküche für die Mitarbeiter, gleich hinter dem Laden. Ein schmaler, energetischer Mann, rote Brille, der gerne und viel erzählt. Und der das richtig gut macht. Man muss also gar nicht lange nachfragen. Die Story hat er parat. Diese Geschichte erzählt er besonders gerne.
Sie beginnt auf dem Bauernhof seiner Eltern. Ortschaft Brand in der Nähe von Waldhausen, Niederösterreich. Karges Land, hartes Brot. Der Hof der Familie heißt „Ecker Gutmann“ und steht im Oberdorf. Die Gutmanns sind seit Generationen Bauern. Selbstversorgung ist oberstes Prinzip. Alles, was man zum täglichen Leben braucht, produziert der Hof: Erdäpfel, Getreide, Kühe, Schweine, Hühner, Gemüse, Kräuter. „Unser Tisch“, so Gutmann, „war immer reich gedeckt.“
Selbst nach dem Ersten Weltkrieg, als in Österreich große Not herrscht, gibt es auf dem Land zu essen. Was viele Städter anlockt, die Lebensmittel mit Naturalien bezahlen. „So“, sagt Gutmann, „ist die Lederhose nach Brand auf den Hof gekommen.“ Zum Großvater, um genau zu sein. Und der steckt sie irgendwann in eine Kiste in der Mehlkammer, wo Gutmann sie eines Tages entdeckt: „Schmucklos, abgewetzt, viel zu groß, aber noch ganz passabel.“
Die Hose passt hinten und vorne nicht. Dennoch taucht der junge Mann, der für jede Gaudi zu haben ist, fortan häufiger mit der kuriosen Kluft auf. Auf Faschingsfesten sorgt er damit für Heiterkeit. Beim Skifahren ersetzt die Lederhose die fehlende Sportmontur. Einmal, bei einem Hüttenabend, macht er sich, wie er sagt, aus Jux „zum Kasperl“. Die Begeisterung ist riesig. Gutman weiß: „Diese Hose bringt mir Glück.“
Weshalb sie ihn nun ständig begleitet. Auf den Advents- und Weihnachtsmärkten in Zwettl und anderswo im Waldviertel schützt sie vor dem eisigen Wind, der aus Böhmen kommt. Sie macht jede Strapaze mit, wenn er auf Messen Kisten und Regale schleppt. Wenn ihn die Erschöpfung ihn überkommt, legt er sich in ihr schlafen. Bei Gutmanns erstem Auftritt bei der Biofach 1990, damals noch in Ludwigshafen, ist er der Star der Veranstaltung: „Ich weiß nicht, wer mehr aufgefallen ist, meine Hose oder meine Ware. Ich war jedenfalls unverwechselbar.“ Danach kennt ihn jedenfalls die halbe Branche.
Es ist viel passiert zwischen 1990 und heute. Aus dem jungen Spinner aus dem Waldviertel ist eine Ikone der Bioszene geworden. Aus einem Ein-Mann-Betrieb mit klapprigem Lieferwagen ein Millionenunternehmen mit Kunden in über 50 Ländern. Gutmann sagt: „Ich habe Schritt für Schritt gelernt, worauf es ankommt, wenn man verkaufen will.“ Dass die Produkte die richtigen Namen haben müssen. Morgenmuffel-Tee verkauft sich schlecht. Gute-Laune-Tee schon viel besser. Man darf sich nicht vom Weg abbringen lassen. Nicht von den „Raunzern“*, nicht von den Bürokraten. „Man muss sich bei allem einfach treu bleiben.“
Und für all das steht die Lederhose. „Mit meiner Ledernen habe ich schon in Ludwigshafen eine Geschichte erzählt, die sich ohne Worte vermittelt: Heimat, Tradition, Brauchtum.“ Und das, so Gutmann, gehöre genauso zu einem erfolgreichen Unternehmen wie verantwortliches Handeln und gute Produkte. „Wer seine Geschichte nicht erzählen kann, existiert nicht“, hat der Schriftsteller Salman Rushdie einmal festgestellt. „The story you tell, the product you sell“, ergänzt Gutmann. Das gilt auch für die Biobranche. Kurzum, wie der Waldviertler sagt: „Macht’s de Bappn auf!“**
Mit fast hundert Jahren darf sich Gutmanns Lederhose in letzter Zeit häufiger ausruhen. Schließlich ist sie bereits mehrfach geflickt und ausgebessert worden. Zum Einsatz kommt sie aber schon noch. Bei öffentlichen Auftritten, erst recht natürlich bei Preisverleihungen, schließlich steht sie nicht nur für den Mann, sondern auch für das Unternehmen. Ein Ende ihrer Karriere ist für Gutmann noch lange nicht in Sicht. Er hat da nämlich eine Hoffnung. „Vielleicht finden meine Buben Severin und Valentin wie ich die Lederhose eines Tages in einer Kiste. Damit die Geschichte weitergeht.“