Am Degenhardt 26, Gewerbegebiet Überlingen. Es ist frisch in den Lagerräumen der Bodan Großhandel für Naturkost GmbH. Sechs Grad. Vier Grad. Zwei Grad. Je nach Warenkategorie sinkt die Temperatur. Kurzum: draußen Februar, drinnen kalt. Sascha Damaschun rückt den Pelzkragen seiner Winterjacke zurecht und stapft fröhlich voran. Hier den Gang runter, dort den Gang runter. Links rum, rechts rum. Bodans Geschäftsführer genießt das. „Kommen Sie“, ruft Damaschun, „gleich sind wir bei einem meiner großen Favoriten.“
Wir waren schon bei den Shiitakepilzen der Familie Kaltenbrunner aus dem Bodmaner Ried. Damaschun: „Ein toller Pilzproduzent.“ Interessante Information hier: Die Kaltenbrunners experimentieren gerade mit Trüffel und Reizker. Wir waren auch bei der Heumilch der regionalen Demeter-Liefergemeinschaft. Die Kühe werden nur mit Gras und Heu gefüttert und bleiben vier bis sechs Monate bei ihren Kälbern. Damaschun: „Ein echt innovatives Ding.“ Und: „Dafür brauchen die Bauern 10 Cent pro Liter mehr. Wir machen das. Bei einer konventionellen Molkerei fliegst du schon bei einem Zehntel Cent mehr raus.“ Auch bei den Hokaido-Kürbissen vom Helchenhof waren wir schon. Zusatzinformation: Der Altbauer Martin Hahn sitzt inzwischen für die Grünen im Stuttgarter Landtag.
Sightseeing mal ganz anders. Obst, Gemüse und Milchprodukte kombiniert mit Geschichten. Und natürlich macht das Sinn, wenn man einen Biogroßhandel besucht. Wie eine Ware aussieht, erzählt keine Geschichte. Die Geschichte erzählen die Menschen, die dahinter stehen. Ihr Können, ihre Leidenschaft, ihre Werte machen den Unterschied. Für den Konsumenten und für den Planeten. Und weil sie ihre Verantwortung ernst nehmen bei Bodan, kennt Damaschun die Geschichten seiner Lieferanten. Macht pro fünfzig Regalmeter in etwa genauso viele Erzählungen. Kleine Zugabe bei den Kisten mit den Pastinaken: „Bio war schon immer gut darin, Sonderkulturen populär zu machen, die Pastinake ist da nur ein Beispiel.“
Schon sind wir bei dem angekündigten Favoriten. Schalotten. Davon will Damaschun in der nächsten Saison mit dem Bauern eine besondere Variante anbauen lassen. Sortenname Cuisse de Poulet. Was soviel heißt wie Hühnerschenkel. Damaschun: „Man könnte sagen, wir verkaufen vegetarische Hühnerschenkel, weil sie tatsächlich so aussehen.“ Werden von der Hofgemeinschaft Heggelbach kommen. Das samenfeste Saatgut von den Züchtern aus Bingenheim. Man kennt sich lange, man kennt sich gut. Regionale Netzwerke sind ein zentraler Bestandteil von Bodans DNA. Hofgut Rengoldshausen. Hof Höllwangen. Helchenhof. Obsthof Brugger. Demeterhof Bentele. Hofgut Rimpertsweiler. Mit allen ist Damaschun vertraut. Geschichten über Geschichten. Außer bei den Steckrüben. Damaschun: „Zu Steckrüben ist mir noch nie was eingefallen.“ Was das Gemüse angeht wohlgemerkt, nicht die Bauern, von denen sie kommen.
Den Nachbarn zu kennen, kann man sich vorstellen, aber was ist mit den ausländischen Herstellern? Man hätte nicht fragen sollen. Schon nimmt Damaschun Fahrt auf. Nächster Gang, die nächsten Regale, die nächsten Kisten. Und man erfährt alles über Francesco Barducca, dessen Frau Anna Rossi und deren drei Kinder. Im Veneto bauen sie Rucola an. Wichtige Information hier: Für die Verpackung wird 80 Prozent Recyclingplastik verwendet, eine dünne Folie, demnächst soll auf Demeter umgestellt werden. Die Biobananen? Stammen aus der Dominikanischen Republik von der Kooperative Milagros aus der Provinz Mao, zu der elf Fincas gehören. Damaschun: „Ein absolutes Vorzeigeprojekt mit sozialem Impact.“ Die Erläuterung zu den Farbstufen, nach denen Bananen kategorisiert werden, gibt es gleich hinterher.
Es ist eine ebenso kurzweilige wie informative Reise durch die Warenwelt von Bodan. Viel Stoff für Notizen. Dummerweise nagt die Kälte am Besucher und seinen klammen Fingern. Zeit Schluss zu machen. Doch Damaschun ist schon vorausgeeilt und winkt bereits mit einer Kiste Paprika. „Noch so ein kleines Highlight“, sagt er, „drei Brüder aus Andalusien, deren Thema ist Kompostierung.“ Wenig später weiß man alles über Manuel, José und Javier Giménez, die den Betrieb von ihren Eltern übernommen und auf Bio umgestellt haben.
Ach ja, nicht zu vergessen: Bei den Giménez-Brüdern wird nicht nur betriebseigene Kompostierung betrieben, sie setzen in ihren Gewächshäusern auch Marienkäferlarven gegen Blattläuse ein. Für Spanien, so Damaschun, sei „das mit dem Kompost absolute Pionierarbeit“. Für den Besucher ist so viel Hintergrund und Detailwissen über das, was auf den Tisch kommt, absolut imponierend. Die Tiefkühlabteilung haben wir uns aber dann doch geschenkt.